Friday, February 10, 2006














Brotzeit -
Kreuzgang Naumburger Dom
2003, Ingo Kanwischer
Wie beendet man Gegnerschaft?
Auswege aus dem Kreislauf der Gewalt bei René Girard

             Neid, Eifersucht, Rivalitäten bestimmen, oft unterschwellig, das Zusammenleben in Zivilgesellschaften. Im Mobbing, in der Gewaltorgie und natürlich im Faszinosum der Kriege – und der Krimis – kommt ausbruchartig zum Vorschein, was überall und jederzeit – wortwörtlich – „der Fall“ ist. Kaum einer geht diesem Phänomen ständiger Konkurrenz und Rivalität so spürsinnig nach wie der französische Historiker und Kulturwissenschaftler René Girard. Im vorliegenden Band analysiert der Innsbrucker Theologe und Ethiker Wolfgang Palaver kenntnisreich und leicht lesbar das vielbändige Lebenswerk Girards und unterzieht sich der Aufgabe einer umfassenden Gesamtdarstellung.

Wie bei einem Tryptichon entfaltet Wolfgang Palaver im Mittelteil seines Buches die drei Kernstücke des Deutungsweges Girards. Dabei geht er von der Beobachtung aus, dass der Mensch als ein begehrendes, nachahmendes Wesen sich dauerhaft nach dem Begehren anderer richtet. Girard nennt dies die „mimetische“ Willensstruktur, abgeleitet vom Griechischen Mimesis (= Nachahmung). Menschen wollen das, was andere haben, nicht unbedingt, weil sie es brauchen, sondern weil es die anderen haben.

Das zweite Kernstück ist die Kulturtheorie. Im Ursprung jeder Zivilisation steht der Sündenbock-Mechanismus, der Gründungsmord: die (strukturelle) Gewalt aller gegen alle wird umgeleitet zur Gewalt aller gegen einen. Das Opfer wird getötet – und im selben Akt heroisiert, heiliggesprochen. Man verdankt ihm ja die Triebabfuhr, das neue soziale und kulturelle Gleichgewicht. Solche Opferungen geschehen unbewusst, sie bedürfen regelmässiger mythischer Vergegnwärtigung und ritueller Gestaltung. Sie werden erzählt, begangen und gefeiert in der Sicht der Jäger und Verfolger, der Sieger und Machthaber.

Das dritte Kernstück ist die Religionstheorie, der Ursprung aller Religionen aus der Gewaltproblematik. Die biblischen Traditionen freilich reissen die mythisch-vorbewussten Verblendungszusammenhänge auf, unterbrechen die Teufelskreise von Gewalt und Gegengewalt und ermöglichen eine ganz neue Lebensperspektive. „Im Neuen Testament findet Girard den wirklichen und gewaltfreien Ausweg aus der mimetischen Rivalität.“ Hier geht es um „gewaltfreie Nachahmung“ auf der Spur Jesu. Dieser geht sehenden Auges in den vorherrschenden Gewalt- und Verblendungszusammenhang hinein. „Da er keine ‚rivalisierende’ Aneignungsbegierde kennt , kann es zu keiner Gegenerschaft mit ihm kommen.“ Wer ihm folgt, braucht das (un)heilige Spiel von rivalisierender Doppelgängerschaft nicht länger mitzumachen. Er gewinnt die Kraft, dafür sogar sein Leben einzusetzen – wir die wahre Mutter im berühmten salomonischen Urteil (1 Kön 3,16-28). Angesichts der archaischen Opferlogik, das umstrittene Kind schlachtend zu halbieren und jeder der beiden streitenden Frauen eine tote Kindeshälfte zu geben, zeigt sich die wahre Mutter im Unterschied zur falschen. Sie ist bereit, ihr eigenes Kind herzugeben, damit es lebt. Diese Art von Opfer einzig um des Lebens willen unterscheidet sich um Lichtjahre von jenen Opfern, die einen mythischen Konkurrenzzusammenhang aufrechterhalten wie zum Beispiel die der Azteken. „Der Mythos rechtfertigt das Opfer, während das Evangelium die Unschuld des Opfers Jesu betont und die kollektive Gewalt anklagt.“ Hier also eröffnet sich eine ganz neue Perspektive: die Parteinahme für die verfolgten Opfer, die Praxis der Feindesliebe, die Option für die Armen.

Wofgang Palaver stellt diesem genau und farbig gezeichneten Tryptichon zwei Kapitel voran. Sie dokumentieren die innere Einheit von Leben und Werk des entschiedenen Katholiken René Girard. Sie diskutieren grundsätzlich das Verhältnis von „Religion und Moderne“ und erklären, warum Religion heute erneut und verstärkt Konjunktur hat. Entscheidend freilich ist die Frage, um welche Art von Religion es sich handelt – und gerade dann zeigt sich der humanisierende Mehrwert der biblischen, der christlichen Perspektive.

Die beiden abschliessenden Kapitel entfalten die Bedeutung von Girards „Gewaltanschauung“ an Fragen politischer Theorie und Praxis (Ursprung politischer Macht und Rechtsordnung, Ursprung des Kriegs). Die analytische Kraft von Girards Denken zeigt sich nicht zuletzt in der Gewalterfahrung zwischen den Geschlechtern. Mimetisches Begehren ist demnach keineswegs „typisch männlich“, und Frauen sind keineswegs die idealen „Sündenböcke“. Etwas abrupt – mit einer Fülle von Anmerkungen, umfassendem Literaturregister und hilfreichen Übersichten, aber ohne Zusammenfassung und Gewichtung – endet der dringend zu empfehlende Band. Es ist erstaunlich, wie Palaver die Fülle des Materials so bändigt, dass eine Vielfalt von Bezügen aus Literatur (Dante, Cervantes, Shakespeare, Dostojewski ...) und Philosophie (Platon, Hegel und Nietzsche, Camus, Derrida) wachgerufen wird.
Gotthard Fuchs

Wolfgang Palaver
„René Girads mimetische Theorie“
Im Kontext kulturtheoretischer und gesellschaftspolitischer Fragen
(Lit-Verlag, Münster 2003, 452 S., 22,90 E).

aus: Christ in der Gegenwart, Nr. 29/04, S. 238

Thursday, February 02, 2006


EUCHARISTIE


        "13. Diesem Akt der Hingabe hat Jesus bleibende Gegenwart verliehen durch die Einsetzung der Eucharistie während des Letzten Abendmahles. Er antizipiert seinen Tod und seine Auferstehung , indem er schon in jener Stunde den Jüngern in Brot und Wein sich selbst gibt, seinen Leib und sein Blut als das neue Manna (vgl. Joh. 6,31-33). Wenn die antike Welt davon geträumt hatte, dass letztlich die eigentliche Nahrung des Menschen - das, wovon er als Mensch lebt - der Logos, die ewige Vernunft sei: Nun ist dieser Logos wirklich Speise für uns geworden - als Liebe. Die Eucharistie zieht uns in den Hingabeakt Jesu hinein. Wir empfangen nicht nur statisch den inkarnierten Logos, sondern werden in die Dynamik seiner Hingabe hineingenommen. Das Bild von der Ehe zwischen Gott und Israel wird in einer zuvor nicht auszudenkenden Weise Wirklichkeit: Aus dem Gegenüber zu Gott wird durch die Gemeinschaft mit der Hingabe Jesu Gemeinschaft mit seinem Leib und Blut, wird Vereinigung: Die 'Mystik' des Sakraments, die auf dem Abstieg Gottes zu uns beruht, reicht weiter und führt höher, als jede mystische Aufstiegsbegegnung des Menschen reichen könnte."

(Benedikt XVI., DEUS CARITAS EST, 25.12.2005)
CONTRE LA DIVISON

"Notre espoir réside dans le fait que Jésus ne s'est pas entouré d'une bande de super copains de même sensibilité. Cette communauté n'a pas été fondée sur une vision partagée. Ils n'ont d'ailleurs partagé les mêmes idées que pendant un bref instant. Une communauté de personnes de même sensibilité ne serait pas un sacrament du Royaume mais seulement un sacrament d'elle-même. Nous sommes signe du Royaume précisément parce que notre unité n'est pas mentale mais sacramentelle. C'est le fait d'embrasser l'étranger, voire l'ennemi, qui fait de nous un signe."

(la documentation catholique, 17 octobre 2004, nº 2322)